In einer digitalisierten Welt, in denen KI-Bots als Lerntutoren agieren, Lehrkräftemangel droht, Schulgemeinden immer heterogener werden und Schüler:innen in einer sich immer schneller verändernden Welt groß werden, steigen die Anforderungen an das Bildungssystem und die Forderungen nach Veränderungen an Schulen werden immer lauter und häufiger.
Viele Menschen im System sehen die dringende Notwendigkeit, Schule und Unterricht weiterzuentwickeln und engagieren sich in ihrem Umfeld, um etwas zu bewegen. Gleichzeitig fällt es uns im System oft nicht leicht, Veränderungen so anzustoßen, dass die einzelnen Akteure und Akteurinnen die Veränderung mitgehen und so, dass sie sich tatsächlich durchsetzen oder das angestrebte Ziel erreicht wird:
Eine Arbeitsgruppe macht sich auf den Weg, trifft sich, engagierte Kolleginnen und Kollegen entwickeln gemeinsam in einer Arbeitsgruppe ein Konzept, z.B. zur Zusammenarbeit mit der OGs oder zur Handynutzung in der Schule oder den veränderten Lernzeiten. Nach viel Arbeit wird das Ergebnis vorgestellt, erste Schritte umgesetzt und ausprobiert. Doch obwohl die Gruppe mit viel Herzblut und Energie entwickelt wurde, führt es nicht zum gewünschten Ergebnis, wird nicht angenommen oder erst gar nicht umgesetzt. Das Ergebnis? Ernüchterte, manchmal auch desillusionierte Kolleginnen und Kollegen oder auch die Einführung von Regelungen und Konzepten, die nicht wirklich zu einer Veränderung führen.
Worin liegt die Schwierigkeit? Oftmals darin, dass die Menschen, die von den Konzepten, Ideen, Veränderungen betroffenen sind, wenig oder gar nicht in den Prozess einbezogen werden. Manchmal aber auch, dass wir und die anderen Beteiligten schon so lange in unseren Schulen und Systemen arbeiten, dass wir nach Lösungen innerhalb unserer bekannten Wege und Grenzen suchen und gar nicht mehr offen sind für neue, andere Ideen und Lösungsmöglichkeiten. Innovative Ansätze werden entweder gar erst zugelassen oder scheitern dann schnell am “Realismus” oder den nötigen Kompromissen.
Aber wie wäre es, wenn wir noch einmal ganz neu, wie Kinder, auf unsere Arbeitszusammenhänge schauen und unserer Fantasie freien Lauf lassen könnten, um zu guten, zukunftsweisenden Lösungen zu kommen? Wenn wir uns erlauben würden, erst einmal zu experimentieren, bevor wir uns auf ein Konzept festlegen würden? Und wenn wir den Mut hätten, statt bekannte und erprobte Lösungen anzunehmen, nach den echten Bedürfnissen der betroffenen Menschen in unseren Systemen zu forschen und so möglicherweise ganz unerwartete Wege einzuschlagen?
Im folgenden Blogartikel möchten wir zeigen, wie die Methode des Design Thinking einen Ausweg aus den ausgetretenen Pfaden anbieten könnte.
Design Thinking kann uns dabei helfen, das freie Denken wieder zu erlernen und dabei gleichzeitig Lösungen zu finden, die von den Bedürfnissen, Problemen und Wünschen der Betroffenen ausgehen.
Aber was ist eigentlich Design Thinking und wie funktioniert es?
Design Thinking ist eine strukturierte Herangehensweise, die uns befähigt, komplexe Herausforderungen kreativ und mit einem starken Fokus auf die späteren Nutzer:innen zu lösen. Es ist keine starre Methode, sondern eine Denkweise, die typischerweise durch einen iterativen Prozess gekennzeichnet ist, der Phasen wie Verstehen, Beobachten, Standpunkt definieren, Ideen finden, Prototypen entwickeln und Testen durchläuft.
Das Besondere an diesem Ansatz ist der Fokus auf die Empathie-Phase zu Beginn. Bevor wir Konzepte schmieden, widmen wir uns intensiv den Menschen und ihren tatsächlichen Bedürfnissen, für die wir eine Lösung entwickeln. Es geht darum, nicht nur oberflächliche Probleme zu beheben, sondern die Frage hinter der Frage zu identifizieren. Zudem werden Prototypen frühzeitig und spielerisch entwickelt und getestet, wodurch die Fehlerkultur gestärkt wird.
Ein Beispiel aus der Praxis kann dies verdeutlichen: Schulentwicklungsberaterinnen in Münster setzten sich in einem Design Thinking Workshop exemplarisch mit der Herausforderung auseinander: „Wie können wir Lärm in der Schule reduzieren?“ Im Rahmen der Verstehens- und Beobachtungsphase interviewte eine Gruppe einen Sportlehrer. Dabei kam überraschend zum Vorschein, dass das eigentliche Problem für den Kollegen nicht der Lärm in der Sporthalle war, sondern ein unbefriedigtes Bedürfnis nach mehr Zusammenhalt und Kommunikation in der Fachschaft Sport.
Die Gruppe entwickelte daraufhin nicht etwa Schalldämmungsmaßnahmen, sondern in der Prototyping-Phase die Idee eines erlebnispädagogischen Tages, bei dem die Sportfachschaft gemeinsam ein Floß baut. Dieses Beispiel zeigt, dass Design Thinking darauf abzielt, auf echte Bedürfnisse zu reagieren und dadurch mitunter neue Lösungsansätze für vermeintlich alte Probleme zu erschließen.

Natürlich ist Design Thinking keine Allzwecklösung, die jede schulische Herausforderung löst. Es kann jedoch ein nützliches Werkzeug sein, wenn es darum geht, in der Schule:
- neue Fortbildungsformate zu entwickeln, die tatsächlich Anschluss finden.
- Prozesse in der Schulentwicklung nutzerzentriert zu gestalten (z.B. neue Raumkonzepte, Überarbeitung des Medienkonzepts, Gestaltung der Pausen).
- Komplexe Herausforderungen im Schulalltag (z.B. Umgang mit Heterogenität, Kommunikationsstrategien der Schulgemeinschaft) innovativ anzugehen.
Erste Schritte in der Lehrerfortbildung
Wir konnten bereits erfolgreich erste Veranstaltungen (z.B. mit der gesamten SEB in der Bezirksregierung Münster und auch mit Moderierenden in der Bezirksregierung Arnsberg) durchführen. Design Thinking hat dabei das Potenzial gezeigt, eingefahrene Denkmuster aufzubrechen und zu neuen Lösungswegen zu inspirieren. Mittlerweile nutzen wir in unterschiedlichen Arbeitszusammenhängen Design Thinking als Methode, um neue Fortbildungsmodule ausgehend von den zukünftigen Teilnehmenden zu denken und zu entwickeln.
Design Thinking im Klassenzimmer: Die Kompetenzen von morgen
Doch Design Thinking ist nicht nur ein mächtiges Werkzeug für die Entwicklung von Fortbildungsformaten oder in der Schulentwicklung. Es kann auch im Unterricht eine entscheidende Rolle spielen! Schüler:innen können Design Thinking erleben und dabei wichtige Kompetenzen für eine sich immer schneller verändernde Welt und die Anforderungen der neuen Arbeitswelt erlernen und vertiefen – die sogenannten 4 K: Kreativität, Kritisches Denken, Kommunikation und Kollaboration. Diese Fähigkeiten sind entscheidend, damit sie in einer zunehmend komplexen und dynamischen Welt bestehen können. Wie John Hattie aktuell fordert:
„Wenn man sich die meisten Lehrpläne auf der Welt anschaut, dann sprechen sie alle von Kompetenzen oder Problemlösung. Aber was wird tatsächlich unterrichtet, was wird bewertet? Wissen. Ich möchte, dass Kinder eine tiefe Leidenschaft entwickeln können.“ John Hattie
(zuletzt abgerufen am 09.11.2025: https://deutsches-schulportal.de/bildungsforschung/john-hattie-weniger-lehrplan-mehr-leidenschaft/)
Design Thinking fördert genau diese Leidenschaft, indem es Schüler:innen dazu ermutigt, selbstständig Probleme zu identifizieren, kreative Lösungsansätze zu entwickeln und diese in einem geschützten Rahmen auszuprobieren. Es geht darum, nicht nur Wissen zu konsumieren, sondern aktiv Wissen zu schaffen und dabei wichtige soziale und emotionale Fähigkeiten zu erwerben.
Ein hervorragendes Beispiel dafür ist die Design Thinking Box für Schulen der Hopp Foundation. Hier finden Sie Materialien und Anleitungen, wie Sie Design Thinking ganz praktisch in Ihrem Unterricht einsetzen können: https://www.hopp-foundation.de/design-thinking-box-fuer-schulen/
Interesse geweckt?
Wenn Sie Interesse an einer Fortbildung zu Design Thinking haben oder denken, dass es ein Thema an Ihrer Schule gibt, bei dem ein Design Thinking Prozess sie weiterbringen würde, dann zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren! Wir freuen uns darauf, gemeinsam mit Ihnen neue Wege zu entdecken und die Zukunft der Bildung aktiv zu gestalten.



